Der Lotse 2020 Analog UND digital

Der analoge Lotse

Was ein Lotse sich an Handwerkszeug während seiner Ausbildungszeit anzueignen hat, ist in der Seelotsenausbildungsverordnung genau beschrieben.

Auf der Hand liegt, dass er sehr genaue Kenntnisse der Gesetzgebung, der örtlichen Vorschriften, des Fahrwassers, der Tonnen, Reeden, Leuchtfeuer usw. haben muss und diese Kenntnisse im Rahmen einer staatlichen Prüfung belegen muss.

Welche Fähigkeiten aber benötigt er darüber hinaus?

Warum ist die Ausprägung „analoger Fähigkeiten“ für einen Lotsen so wichtig?

Stellen wir uns vor, es ist eine regnerische, stürmische Novembernacht in der deutschen Bucht.

Auf dem Stationsschiff wurde der Lotse Jan Hansen, 36 Jahre alt, soeben geweckt, das Schiff welches er zu beraten hat, wird in Kürze Elbe 1 passieren.

Er weiß bis zu diesem Zeitpunkt nicht, welcher Art dieses zu lotsende Schiff sein wird.

Vielleicht ein „langer Schwarzer? So werden in Lotsenkreisen Schiffe des Typs Amur, Volgobalt oder Omskiy genannt, allesamt „low-standard“ Schiffe russischen Ursprungs.

In diesem Fall ist mit einer absolut spartanischen technischen Ausrüstung, mit beengten Verhältnissen, mit eher unmotivierter, weil schlecht bezahlter und auf ein Minimum reduzierter Brückenbesatzung zu rechnen.

Der Kapitän wird ihn kurz begrüßen, ihn nach einem sehr kurzen Master-Pilot Exchange an den Wachhabenden verweisen und sich sodann zur Nachtruhe zurückziehen.

Oder wird Jan für ein Fahrzeug von der anderen Seite des breiten Spektrums abgeteilt? Vielleicht für die Queen Mary 2 oder eines der neuen AIDA Schiffe?

Hier erwartet ihn eine nach Reedereivorgaben und modernen Bridgeteam Erkenntnissen zusammengestellte Brückenbesatzung, die in der Regel alle Funktionen, also Navigationsoffiziere, Rudergänger und Ausguck gedoppelt hat, unter Aufsicht des Staffkapitäns oder des Kapitäns.

Diese werden ihm ein Briefing angedeihen lassen, welches weit über die Vorgaben der Master Pilot Exchange hinaus geht; Jan muss in diesem Zusammenhang aufpassen, dass seine Rolle richtig beschrieben wird.

In der Regel aber wird sein Job die Beratung eines Fahrzeugs zwischen diesen beiden Extremen sein, also ein Containerschiff, ein Massengutfrachter oder eventuell ein Chemikalientanker.

Jan Hansen nimmt es wie es kommt. Er klettert, wie schon seine Berufsvorgänger vor mehreren Hundert Jahren über eine Strickleiter (sehr analog!) an Bord des zu beratenden Schiffes.

Seine Aufgabe ist es nun, aufgrund seiner Erfahrungen, sein Bridgeteam für diese ganz spezielle Lotsung zusammenzustellen.

Es geht jetzt darum, zu erkennen, welche Ressourcen um ihn herum vorhanden sind, auszuwählen, welche er davon braucht und festzulegen, wie er durch sein Können und seine Erfahrungen mögliche Mängel kompensieren kann.

Zunächst wird er die auf Brücke vorhandene Sprachfähigkeit erkennen.

Die Ausprägung der Kenntnisse der englischen Sprache ist, im Gegensatz zur Luftfahrt, in der alle oder fast alle Teilnehmer am Verkehrsgeschehen in etwa den gleichen Standard innehaben, in der Schifffahrt völlig heterogen und in den meisten Fällen alles andere als umfassend.

Die Anwendung der standard marine communication phrases, hat sich in der Praxis nicht durchgesetzt.

Die Bordsprache muss nicht zwangsläufig englisch sein. Bei einer national homogenen Besatzung kann sie russisch oder beispielsweise chinesisch sein.

Selbst multinationale Besatzungen kommunizieren oftmals nur in rudimentärem Englisch.

Hier kommt dem Lotsen eine seiner wichtigsten Aufgaben zu: Er fungiert als Vermittler, der die notwendige Kommunikation zwischen gelotstem Fahrzeug, der Verkehrszentrale, anderen Verkehrsteilnehmern, und zwar vom Freizeitboot über das Binnenschiff bis hin zum- mit einem Kollegen besetzten- Großtanker, sowie den Schleppern, übernimmt.

Und zwar in einer Sprache, die von Allen der Vorgenannten auch in Ausnahmesituationen sicher und souverän beherrscht wird, nämlich der jeweiligen Reviersprache, in unserem Falle: deutsch.

Im Störfall und Notfall gewinnt die Kommunikation noch eine weit höhere Bedeutung. Hier wird der Lotse quasi zum“ On Scene Communicator“.

Er trifft die notwendigen Absprachen mit der Wasserschutzpolizei, der Feuerwehr, dem SAR Dienst, Notschleppern usw. Er übersetzt und erklärt dem Kapitän das Geschehen und berät ihn, als nicht nur orts-, sondern auch schifffahrtskundiger Berater.

Analoge Fähigkeit des Räumlichen Denkens

Auch der kognitiven Fähigkeit des räumlichen Denkens kommt bei der Lotstätigkeit eine große Bedeutung zu.

Die Raumwahrnehmung ermöglicht es, die Beziehung zwischen zwei Objekten, also dem gelotsten Schiff und einem anderen sich bewegenden Schiff oder einer festen Hafenanlage zu verstehen, wenn eine oder beide ihre Position im Raum verändern.

Ein intuitives Gefühl dafür zu haben, wann der Fahrhebel auf welche Fahrtstufe zu legen ist, um einen bestimmten Punkt mit einer vorgeplanten Geschwindigkeit zu passieren, ist bei Stoppstrecken der Schiffe von mehreren Kilometern nur weit vorausschauend möglich.

Auch das Drehen eines Schiffes in fließendem Gewässer mit der Absicht, nach Abschluss des Drehmanövers die optimale Lage auf einem Ankerplatz zu erreichen, stellt hohe Anforderungen an das räumliche Denken.

Zu antizipieren, wie groß der Abstand bei einer Passage mit einem anderen Fahrzeug sein wird und vor allem entsprechend der aktuellen Situation einzuschätzen, ob dieser sicher ausreichend sein wird, ist hohe Kunst.

Umgang mit unterschiedlichen Kulturen, Sozialisierungen und Charakteren

Der Lotse ist der erste Repräsentant seines Landes der an Bord eines Schiffes kommt. Gerade in der heutigen Zeit, in der der Kontakt zwischen Schiffsbesatzung und der Bevölkerung des jeweiligen Hafens durch oftmals weit vor der Stadt liegenden Terminals, durch kurze Liegezeiten und starren, wenn auch notwendigen, ISPS Regelungen auf ein Minimum reduziert ist, ist der Lotse einer der wenigen Menschen mit dem sich Offiziere und Kapitän noch austauschen können.

Durch diesen Smalltalk während der Reise entwickelt sich bestenfalls ein gewisser Teamspirit. Dieser ist sehr förderlich, denn eigentlich ist die Situation ja einzigartig:

Ein durchaus komplexes Anlegemanöver oder eine enge Revierfahrt führt der Lotse mit

„Mitarbeitern“ durch, die er in der Regel nie zuvor gesehen hat und um deren Qualifikation er nicht weiß.

Wichtig ist trotzdem, dass er sein Team in sein Vorhaben jederzeit einweiht.

Ein Reiseplan, in dem das Vorhaben im Groben dargestellt wird, ist schnell unterschrieben und wandert, gemeinsam mit der Pilotcard, auf dem die Manövriereigenschaften des Schiffes dargestellt werden, zügig in den dafür vorgesehenen Ordner, um für das nächste Audit gerüstet zu sein.

Wichtiger ist “thinking aloud”; das bedeutet, dass der Lotse seine geplanten nächsten Schritte verbalisiert und deshalb jederzeit für alle Beteiligten transparent macht.

Nur so kann der Kapitän, der ja weiterhin die Verantwortung trägt, das Geschehen verfolgen und beurteilen.

Auch hier sind die Mentalitäten und Fähigkeiten völlig unterschiedlich.

Während der eine Kapitän die Kontrolle nie verlieren möchte, gibt der andere sein Schiff weitgehend in die Hand des Lotsen.

Nicht zu vernachlässigen ist auch der völlig unterschiedliche Stresspegel, den Kapitän und Lotse in der gleichen Situation haben.

Während der Kapitän möglicherweise zum ersten Mal den jeweiligen Hafen anläuft, und deswegen eventuell ein banges Gefühl vor dem Unbekannten in sich trägt, ist der Lotse, der die gleiche Situation schon häufig erlebt hat, sehr gelassen.

Es ist deshalb seine Aufgabe, dem Kapitän durch seine Anwesenheit die Ruhe zu vermitteln, die dieser zu einer möglichst stressfreien Bewältigung seiner Aufgaben benötigt.

Die Fähigkeit der Intuition

Navigieren bedeutet für einen Schiffsführer den aktuellen Standort zu bestimmen, den Zielpunkt festzulegen, den zum Zielpunkt führenden Kurs festzulegen, und den Verlauf dieser Zielfahrt zu überwachen.

Wenn er dies auf traditionelle, analoge Art und Weise tut, also mit Papierseekarte, Navigationsdreieck und Zirkel und er für die Positionsbestimmung Peilungen von Leuchtfeuern und Landmarken verwendet, ist dies ein sehr zeitaufwendiger Vorgang, der in der Enge eines ihm unbekannten Revieres nur schwer möglich ist.

Selbst mit digitaler Unterstützung, die die oben beschriebenen Vorgänge erheblich erleichtert, bleibt es nicht ohne Risiko, denn, wie soeben erwähnt, der Stresspegel in einem unbekannten Revier ist nicht zu unterschätzen.

Im Übrigen gilt es nicht nur, das eigene Fahrzeug sicher zu navigieren, darüber hinaus muss diese Navigation im Einklang mit den übrigen Verkehrsteilnehmern unter Einhaltung der lokalen Gegebenheiten und Vorschriften erfolgen.

Nicht umsonst stellt die WSV PEC´s an Kapitäne nur nach Nachweis einer bestimmten Anzahl von Revierfahrten und nach einer erfolgten Prüfung aus. Auch das Beherrschen der Reviersprache wird verlangt.

Der Lotse hingegen navigiert nicht, oder besser: er lotst, das heißt, er navigiert intuitiv.

Bei dieser intuitiven Navigation, wird stets eine hohe Konzentration aufrechterhalten, ohne dass sich der Lotse dessen bewusst ist und ohne dass es für seine Umgebung sichtbar wird.

Der Lotse kann eine Positionsbestimmung, quasi aus dem Augenwinkel durchführen. Besonders relevant sind hier die (analogen) Richtfeuerlinien, welche die Längsposition im Fahrwasser in Echtzeit darstellen und deshalb aus Lotsensicht auch weiterhin unverzichtbar sind.

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Durch die gesammelten Erfahrungen und das physische Vorhandensein realer analoger Seezeichen und Landmarken ist ein Lotse in der der Lage, selbst bei Ausfall jeglicher digitaler Unterstützung ein Schiff mit ausreichender Sicherheit an den Liegeplatz zu begleiten.

Aus dem bis hierher Gesagten ergibt sich, warum wir der Meinung sind, dass der Lotse tatsächlich physisch an Bord sein muss, um seine größtmögliche Wirkung zu entfalten.

Der digitale Lotse

Zugegeben, im Einzelfall wäre es für Jan Hansen bequemer, seine Beratung aus den Räumen einer gut klimatisierten Verkehrszentrale per „remote pilotage“ durchzuführen, vor allem in der langen dunklen Jahreszeit bei Regen und Sturm.

Die Daten des Schiffes sind vorhanden und könnten in noch größerem Maße an Land gespiegelt werden als bisher. Entsprechende Projekte wie z.B. STM zielen darauf hin.

Wo aber bliebe da der Zugewinn für die Verkehrssicherheit ohne das Einbringen der bisher beschriebenen „analogen Fähigkeiten“?

In welch gigantischem Ausmaß die Schiffsgrößen, angetrieben durch die economy of scale, angewachsen sind, sodass die Infrastruktur der Häfen und Zufahrten größte Probleme hatte und hat, bei diesem Wachstum mitzuhalten, ist jedem der hier Anwesenden bekannt.

Um als Lotse weiterhin die gleiche Sicherheit beim Zulauf zu den Häfen gewährleisten zu können, wurde dadurch die Implementierung einer dritten Komponente zusätzlich zu den beschriebenen

„hard and softskills“ notwendig:

Die Unterstützung durch Digitale Anwendungen

Herzstück dieser digitalen Unterstützung ist die PPU – portable pilot unit.

In dieses Projekt wurde in den letzten Jahren sehr viel Lotsen- Knowhow und natürlich auch Geld investiert.

In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Tarifgeber im Konsens mit den relevanten Organisationen die Lotsen bei der Bewältigung des nicht unerheblichen finanziellen Aufwands unterstützt hat.

Wenn vorhin dargestellt wurde, dass der Lotse mit seinen Fähigkeiten Unterschiede in der Qualifikation der Brückenbesatzung teilweise ausgleichen kann, so ist die PPU geeignet, die unterschiedlichen Standards in der technischen Brückenausrüstung in gewissem Rahmen zu egalisieren und zumindest in diesem Bereich für eine Homogenisierung zu sorgen.

Was aber bietet die PPU, ist sie nicht überflüssig, da die Schiffe doch ohnehin über eine ECDIS mit diversen Möglichkeiten verfügen? Die PPU bietet wesentlich mehr.

Die Oberfläche eines 400m Schiffes entspricht in der Draufsicht ca. 23.000 qm, (23ha), sagen wir vier eher größeren, hintereinander aufgereihten, Fußballfeldern.

Wenn wir auf der Brücke eines 400m Schiffes in der Nähe des Ruders stehen, befinden wir uns im übertragenen Sinne im hinteren Tor des ersten Fußballfeldes. Voraus haben wir ein Fußballfeld, hinter uns drei weitere.

Dieses Bild möge dazu dienen, zu erklären, dass hier die menschlichen Fähigkeiten teilweise an ihre Grenzen stoßen.

Von der Mitte der Schiffsbrücke sind es nach jeder Seite 30m; nur von hier kann man die umgebende Wasserfläche beobachten und Geschehnisse am Ufer, wie z.B. Badende, visuell erkennen.

Hieraus lassen sich zwei Dinge ableiten: zum einen, dass es bei Schiffen dieser Größe absolut notwendig ist, zwei Lotsen an Bord zu haben, und zum anderen, dass digitale Unterstützung erforderlich ist.

Ein großer Vorteil der elektronischen Seekarte, die unserem Freund Jan Hansen zur Verfügung steht, ist die Darstellung der aktuellen Wassertiefe in Echtzeit.

Die neuesten zur Verfügung stehenden Peildaten, werden in bENCs übertragen, auf den erforderlichen Verschlüsselungsstandard gebracht, mit den aktuellen Pegelständen online ergänzt und auf der elektronischen Seekarte bereitgestellt.

So ergibt sich in Relation zum Tiefgang des jeweiligen Schiffes ein individuell zur Verfügung stehendes Fahrwasser. Diese Information kann, besonders im Falle außergewöhnlicher Situationen, wie beispielsweise einer Notankerung zur Risikoabwägung genutzt werden.

Beispiele hierfür sind die Notmanöver der NYK Olympus und der YM Wish auf der Elbe. In beiden Fällen konnte der Lotse erkennen, wo, im Rahmen der noch zur Verfügung stehenden Ressourcen und unter dem Aspekt der Schadensminimierung, das Schiff verhältnismäßig sicher und ohne Blockade des Fahrwassers zu Anker zu bringen war.

Natürlich bietet die Seekartensoftware unserer PPU auch alle Features einer ECDIS. Allerdings sind die Darstellungen wesentlich genauer und lotsenspezifischer.

Um es pauschal zu formulieren: alle Daten, die für den Lotsen im jeweiligen Revier relevant sind, werden kompiliert und auf der PPU dargestellt, wobei die Darstellung dem Grundsatz „von Lotsen – für Lotsen“ unterliegt.

Die Nutzung der PPU, oder genauer, die Nutzung ihrer darauf zur Verfügung stehender Seekarten, ermöglicht eine optimale Ausnutzung des verfügbaren Raumes unter, vor und neben dem Schiff und trägt damit entscheidend zur Sicherheit und zu einer optimalen Verkehrslogistik auf den Revieren bei.

Über die Darstellung der Seekarten hinaus findet der Lotse auf seiner PPU unter dem Bereich PIA, also dem Pilot Information Assistenten, alle notwendigen Informationen, wie z.B. Gesetze und Verordnungen, die aktuellen schifffahrtspolizeilichen Maßnahmen, Tidefenster, Auflagen für Schiffe, Informationen über Liegeplätze und vieles mehr.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Entwicklung der PPU, die parallel mit dem verstärkten Größenwachstum der Schiffe einherging, einen großen Anteil daran hat, dass die Anzahl der Vorfälle Kollisionen und Strandungen weiterhin äußerst gering geblieben ist.

Natürlich sind die Daten auf der PPU nur nutzbar, wenn eine entsprechende Netzabdeckung eine durchgehende Verfügbarkeit gewährleistet.

Hieran mangelt es besonders in den der Mündungsbereichen unserer Seeschifffahrtsstraßen allerdings noch ganz erheblich. Abgesehen davon, dass der Netzausbau in vielen Bereichen Deutschlands noch unterwickelt ist, konnte man in jüngerer Zeit doch erkennen, dass die Relevanz einer guten Datenübertragungsrate für den Bereich der Häfen ins politische Bewusstsein eingedrungen ist.

Wir Lotsen allerdings wissen, dass der Hafen schon weit draußen beginnt und machen uns deshalb in vielen Bereichen für den Netzausbau in der gesamten AWZ stark, wobei die Frage nach 4G oder 5G eine technische ist und als solche behandelt werden muss.

Abschluss und Ausblick

Politik und Verwaltung liegen richtig mit ihrer Ansicht, dass der durch die Verkehrszentralen der WSV landunterstützte Bordlotse mit digitaler Ausrüstung derzeit das Mittel der Wahl ist.

So lange Schiffe mit einer menschlichen Besatzung unsere Reviere befahren, ist es unabdingbar, dass diese auch von einem Menschen an die Pier gebracht werden.

Das Zusammenspiel aus menschlichem Können, aus Automation, Datenübertragung und Datenauswertung an Bord ist derzeit der bestmögliche Standard.

Das autonome Schiff wird kommen, aber wird es auch ohne Besatzung unterwegs sein? Die Entwicklung zum autonomen Schiff wird, so glaube ich, evolutionär- in Schritten-, nicht revolutionär verlaufen.

Schritt 1 bedeutet den digitalen Support analoger Entscheidungen – davon war soeben die Reede

  • Schritt 2 bedeutet teilautonomes Fahren, eine durchgehende Brückenwache auf See ist nicht mehr erforderlich
  • Schritt 3 bedeutet teils ferngesteuert, teils autonom, – überwacht durch eine reduzierte Besatzung an Bord
  • Schritt 4 bedeutet teils ferngesteuert, teils autonom durch landgestütztes Personal ohne Bordpersonal
  • Schritt 5 bedeutet völlig autonom, die Systeme steuern und überwachen sich selbst

Nach 22 Jahren Seefahrt, 10 Jahren aktiver Lotstätigkeit und mittlerweile 5 Jahren Tätigkeit in der Selbstverwaltung der Lotsen inkl. Mitgliedschaft in entsprechenden Gremien, scheint mir folgendes Szenario am plausibelsten:

  • Unterschiedliche Stufen werden parallel in unterschiedlichen Seegebieten koexistieren
  • Für die weltweite Großschifffahrt am weitesten verbreitet wird auf mittlere Sicht die Stufe 3 sein, hier sind vor allem auch die Anpassung der gesetzgeberischen Grundlagen, die weltweit notwendig sein werden, noch überschaubar.

Stufe 3 bedeutet, die meisten navigatorischen Vorgänge werden autonom sein, eine durchgehende Brückenwache wird nicht mehr gegangen werden, eine stark reduzierte Besatzung für Not- und Störfälle sowie eventueller Maintenance während der Reise wird weiterhin vorhanden sein, eine Schiffsführung, bestehend aus vielleicht 2 Personen (Pilot und Copilot) mit nautischen und technischen Kenntnissen wird an Bord verbleiben.

Unser Lotse Jan Hansen, wie gesagt, 36 Jahre alt, wird noch viele Jahre auf seinem Lotsrevier, an Bord der Schiffe, seinen Dienst verrichten und mit dem Schiffsführer zusammen das Schiff zu seinem Liegeplatz begleiten.

Wie er sich die Zukunft des Lotswesens vorstellt, kann er anlässlich der Schiffssicherheitskonferenz 2038 selbst erklären. Meinen Vortrag schließe ich mit dem Wahlkampfmotto des weitsichtigen Vaters des heutigen Seelotsgesetzes, dem unvergessenen ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt, welches lautete:

Der Lotse muss an Bord bleiben!

Kapitän Erik Dalege, Vorsitzender der Bundeslotsenkammer

Bildnachweis: Kapitän Bernhard Ixmeier, Elblotse